Die Menschen hinter dem Beton

Veröffentlicht am 21.02.2019 in Kommunales

Servus Stadtrat: Wer die vielen positiven Seiten der Pfingstweide sehen und erleben möchte, zieht am besten mit Gabriele Albrecht los. Die SPD-Politikern sitzt nicht nur seit 30 Jahren im Stadtrat, sondern ist seit 15 Jahren auch stellvertretende Ortsvorsteherin im Norden. Dass sie die Ämter in diesem Jahr abgibt, ändert wenig an ihrem Engagement.

„Das ist der einzige Stadtteil in Ludwigshafen ohne Durchgangsverkehr“, nennt Gabriele Albrecht bei einem kleinen Rundgang durch die Pfingstweide einen Vorteil des Stadtteils. Tatsächlich ist wohl kaum ein Politikername so intensiv mit dem nördlichsten Zipfel der Stadt verbunden wie der der 68-jährigen SPD- Frau. Es sei „ein Stadtteil der kurzen Wege“ und definitiv mehr als die Betonwüste, für die die Pfingstweide oft klischeehaft gehalten werde. Die Menschen leben hier friedlich zusammen, berichtet Albrecht, während wir über den Dr. Hans-Wolf-Platz spazieren. 2010 wurde dort ein Ärztehaus gebaut. Im vergangenen Jahr hat hier eine Eisdiele neu eröffnet, berichtet sie lächelnd. Während wir gehen und sprechen, grüßen viele Leute die stellvertretende Ortsvorsteherin für Oppau, Edigheim und die Pfingstweide. Einer fragt: „Und? Wieder in Action?“Action beschreibt gut, was Albrecht seit vielen Jahren ehrenamtlich in ihrem Stadtteil bewegt. Öffentlich im Vordergrund stand sie dabei selten. Sie arbeite eng mit Ortsvorsteher Udo Scheuermann (SPD) zusammen, sagt sie, wobei er sich eher um die – vielleicht prominenteren – Bauthemen, sie sich um Jugend und Soziales kümmere. „Das bringt uns auch manchmal zu heißen Debatten“, sagt Albrecht lachend. Man kann es sich lebhaft vorstellen.

Ebenso wie mit der Pfingstweide verbindet man die gelernte Erzieherin mit der dortigen Jugendfarm. Sie war Gründungsmitglied und ist noch heute im Vorstand aktiv. Den Vorsitz hat sie inzwischen an Christian Dietz abgegeben, „ein früheres Jugendfarmkind“. Die Jugendfarm wurde im April 1976 im jungen Stadtteil eröffnet. Der Kontakt zu Tieren sei wichtig gewesen, „gerade in einer Hochhaussiedlung“. In der Geschichte der Einrichtung und des zugehörigen Vereins gab es so einigen Anlass zur Action. Etwa, als zweieinhalb Stellen gekürzt werden sollten. „Da sind wir auf die Barrikaden gegangen.“ Es gab Unterschriftensammlungen, Kinder brachten die Listen persönlich ins Dezernat. Das Ergebnis: Nur eine halbe Stelle fiel weg. Das jüngste Großprojekt war die Schlechtwetterhalle, bei deren Aufbau im Jahr 2014 der Verein tatkräftig anpackte. Davon zeugt ein Fotobuch, das Gabriele Albrecht nun – in ihrer Wohnung im zwölften Stock – auf den Tisch legt. Denn Fotografieren ist eins ihrer großen Hobbys.

Von hier oben aus hat sie alles im Blick. Auch die Rauchwolke über Oppau, als sie am 23. Oktober 2014 vom Einkaufen kam, ihre Taschen auspackte und aus dem Küchenfenster sah. Es war die Explosion einer Gasleitung, bei der zwei Menschen ums Leben kamen, 22 verletzt wurden. Neben dem Unglück im BASF-Nordhafen 2016 einer der schlimmsten Tage für den Ludwigshafener Norden. „Die beiden Unglücke haben uns sehr geprägt“, sagt Albrecht nachdenklich. Neben allem Leid habe man aber auch die Hilfsbereitschaft der Leute gemerkt. „In Notfällen hält eine Gesellschaft doch zusammen.“

Gabriele Albrecht, die Ende der 70er in die SPD eintrat – motiviert durch Bürgermeister Günther Janson, durch den Aufwind der Willy-Brandt-Zeit und, weil ihrer Meinung nach zu sozialem auch das politische Engagement gehörte – gibt ihre politischen Ämter in diesem Jahr ab: neben dem Stadtratsmandat auch das im Ortsbeirat. „Jetzt sollen Jüngere ran“, sagt sie und weiß, dass es immer schwieriger wird, für solche Ämter zu motivieren. Denn: „Wenn man’s richtig macht, geht schon viel Zeit drauf“, weiß sie aus Erfahrung.

Ganz mit allem aufhören wird Albrecht dann doch nicht. Die Arbeit in den Vereinen wird bleiben. Und auch Action, manchmal im Kleinen. Erst heute Morgen habe sie auf Facebook von einem Sperrmülllager neben der Jugendfarm gelesen. Sofort sei eine Nachricht an die Stadt gegangen. Der Einsatz für die Pfingstweide wird bleiben, für ihren Stadtteil, der viel mehr ist als Betonbauten.

(Rheinpfalz vom 19.02.2019)

 

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